2 Oktober 2015
Filmkulissen bestehen keineswegs aus bemalten Papptafeln. Solide fertigbauartige Konstruktionen bilden das Umfeld der Szenen auch räumlich wirklichkeitsgetreu ab. Mithilfe einer integrierten CAD-CAM-Lösung baut das Art Department des Studios Babelsberg Kristallgebirge oder indische Tempel.
Eine Woche lang hatten die Konstrukteure vom VW Design Center in Potsdam an einer ziemlich harten Nuss zu knacken: einem etwa sieben mal sechs mal zwei Meter großen Modell eines Gebirges. Es sieht aus wie ein Riesenkristall und besteht aus Drei-, Vier- und Fünfecken mit Kantenlängen von bis zu etwa einem Meter. Das Potsdamer Art Department, eine einhundertprozentige Tochter der Studio Babelsberg AG, sollte das bisher nur virtuell vorliegende 3-D-CAD-Modell aus auf Gehrung verbundenen Multiplexplatten bauen. Art-Department-Geschäftsführer Michael Düwel, hatte den Auftrag vor etwa drei Jahren angenommen. Von der Komplexität der Aufgabe, aus dem Drahtmodell eine Fläche herauszulösen und die Winkel der Gehrungsschnitte zu ermitteln ahne er damals nichts. Er ließ sich jedoch nicht lange aufhalten und beauftragte das VW Design Center mit der geometrischen Bestimmung aller Einzelteile, sodass die Schreinerei das Gebirge auf dem neuen 5-Achs-Bearbeitungszentrum, der »Rover C9« von Biesse fertigen konnte. Das Art Department beschäftigt zurzeit 35 feste Mitarbeiter und besteht aus mehreren Handwerksbetrieben mit einer Tischlerei als zentralen Kern. Zu den weiteren Gewerken gehören die Stuckateure, Bildhauer und Maler, Schlosser, Modellbauer oder Elektroinstallateure. Darüber hinaus gibt es bis zu 130 projektbezogene Mitarbeiter. Im Jahr 2005 entschied sich Geschäftsführer Michael Düwel für das erste Bearbeitungszentrum, eine Vierachs- Maschine von Morbidelli. Für die Konstruktion setzten seine Tischler damals Autocad ein. Auf dem BAZ fertigten sie hauptsächlich Spantenkonstruktionen, wie man sie im Bau von Schiffs- oder Flugzeugrümpfen kennt. Die Spanten konstruierten sie mit Autocad, nesteten sie manuell mit der Maus in das Rohformat und frästen sie dann auf dem BAZ. Im Kulissenbau ist Wirklichkeitstreue
gefragt. Eine runde Säule soll tatsächlich einen runden Querschnitt aufweisen und die Kannelüren sollen nicht aufgemalt, sondern als wirkliche Hohlkehle in das Material eingearbeitet sein. »Obwohl die Filmindustrie ihre Entwürfe in der Regel von Hand zeichnet, haben wir uns im Jahr 2008 für eine integrierte 3-D-CAD-CAM Lösung entschieden,« sagt Michael Düwel. »Wir wollten die Anforderungen an die Räumlichkeit schneller und effektiver erfüllen. Die Konstruktionswelt und die Maschine sollten so aufeinander angestimmt sein, dass alles reibungslos ohne aufwendige Datenkonvertierungen läuft.« Olaf Dräger vom Berliner Maschinenhändler O. J. Keller empfahl die Kombination einer Biesse-Maschine mit der Missler-Software »Top Solid Wood«. Bei mehreren seiner Kunden laufen die aufeinander abgestimmten Komponenten aus Software, Maschine und Postprozessor ohne jegliche Komplikationen. Die deutsche Top-Solid-Wood-Niederlassung Moldtech und Biesse legten gemeinsam ein Angebot vor.
Kristall als Auswahlkriterium
Michael Düwel erinnerte sich an sein Kristallgebirgsmodell und ließ sich zeigen, wie sich die Gehrungswinkel mit Top Solid Wood ermitteln lassen. Der Moldtech-Anwendungstechniker reiste an und las das mit einer beliebigen CADSoftware konstruierte 3-D-Fadenmodell in das Top Solid Wood auf seinem Laptop ein. Es beschrieb zunächst einzelne Flächen mit der Materialstärke von 0 Millimetern. Diesen Flächen wies er eine Dicke von beispielsweise 30 Millimetern zu und verwandelte sie damit in sich überschneidende Volumenkörper. Dann legte er Flächen zwischen die parallelen Schnittlinien und verschnitt damit die Volumenkörper. Die Winkel und die vollständige geometrische Beschreibung waren somit greifbar und ließen sich einfach an das CAM-Modul und die Rover C übergeben. Diese Vorführung überzeugte Michael Düwel, er entschied sich für den Kauf der Software und ließ fünf seiner Mitarbeiterschulen. Ziel war es, nach einem Jahr mit dem CAD-CAM-System vertraut zu sein. »Bereits nach zwei, drei Monaten waren meine Leute schon ziemlich fit. Inzwischen läuft der 3-D-Betrieb routiniert. Wenn es um kompliziertere 3-D Körper geht, kommen wir mit unserer CAD-CAM-Lösung jetzt deutlich schneller ans Ziel« resümiert Michael Düwel. Vor sieben oder acht Jahren hätte sich hier niemand vorstellen können, mit einer CNC zu arbeiten, heute sei sie hier nicht mehr wegzudenken. »Wir hatten kürzlich einen gusseisernen Gullideckel nachzubauen. Unsere Entscheidung war klar: Aus MDF auf der 5-Achs fräsen. Der Tischlergeselle programmierte zwei Stunden und die Maschine fräste anschließend auch noch mal etwa zwei Stunden. So schnell ist das von Hand auf gar keinen Fall erledigt. Schön wäre es gewesen wenn wir dann noch insgesamt zehn dieser Gullideckel für die Außenkulisse zu bauen gehabt hätten.« Der Leiter der Tischlerei, Henry Grimm freut sich dass er eine Software für beide Bearbeitungszentren nutzen kann. Er möchte zukünftig nicht nur die konstruktiven Möglichkeiten von Top Solid Wood nutzen, sondern auch die Unterstützungen für die Arbeitsvorbereitung. Dazu gehören beispielsweise die Stücklistenauflösung, das Nesting- Modul oder Programmbibliotheken für immer widerkehrende Konstruktionen. Tischlergeselle Bruno Wölz lobt die komfortablen und umfangreichen 3-D-Gestaltungsmöglichkeiten und den unkomplizierten Weg von der Zeichnung zum CNC-Programm. Das Einlesen von Fremddateien bereite überhaupt keine Probleme.
Kontakt
Anwender: Art Department Studio - Babelsberg GmbH - 14482 Potsdam,Tel.: (0331) 72131-50,
Fax: -52, www.ad-sb.de
Software: Missler Software
F 91055 Evry, www.topsolid.com
Vertrieb Deutschland: Moldtech
CAD-CAM Systeme Vertriebs GmbH
33154 Salzkotten Tel.: (05258) 9364-0,
Fax: -24 www.moldtech.de
Maschine: Biesse Deutschland GmbH
89275 Elchingen Tel.: (07308) 9606-0,
Fax: -66, www.biesse.de
Maschinenhändler: O. J. Keller
Maschinen-Vertriebs GmbH
12107 Berlin, Tel.: (030) 747994-0, Fax -70
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